EDCR Archiv: Flugplatz Zweedorf in 0381

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Der Flugplatz Rerik-Zweedorf im 0381-Magazin / Ausgabe August 2009


LUFTSPIELPLATZ
UND TECHNISCHES AKTIV-MUSEUM

Der kleine Flugplatz Rerik-Zweedorf ist schwer zu finden. Er ist kaum einem Navi bekannt und bei ungefähr 1500 Landungen im Jahr wissen nicht alle Anwohner und Urlauber, dass es in der Nähe einen Flugplatz gibt. Der ist aber besonders schön. Zwischen Wald und Feldern mit dem Salzhaff in Sichtweite befindet sich seit den 80er Jahren eine 640 Meter lange Grasbahn. In Betrieb genommen wurde der Agrarflugplatz für Düngerstreuer. Inzwischen wird der Sonderlandeplatz hauptsächlich von Privatfliegern genutzt. Landen dürfen neben Motorflugzeugen auch Helikopter, Motorsegler, Ballons, Ultraleichtflugzeuge und Fallschirmspringer.

Besonders am Flugplatz Rerik-Zweedorf ist, dass hier neben den modernen Motorflugzeugen auch einige seltene, genauer eigentlich historische Maschinen stationiert sind. Gemeinsam haben diese ihre osteuropäische Herkunft und den Sternmotor, der so heißt, weil die Zylinder sternförmig in einer Ebene um die Kurbelwelle angeordnet sind. Die Anzahl der Zylinder ist dabei immer ungerade, um eine gleichmäßige Zündung zu ermöglichen. Der bekannteste Ausflug eines Sternmotors ist die Atlantiküberquerung von Charles Lindbergh mit der „Spirit of Saint Louis“ im Jahr 1927.

Ganz so alt sind die Flugzeuge in Zweedorf dann auch wieder nicht. Die russische Jak-12 mit Baujahr 1957, wird dort zum Absetzen der Fallschirmspringer des Vereins Skydive-Ostsee e.V. eingesetzt. Der Hochdecker bietet für vier Springer Platz. Irritierend finden Gäste manchmal, dass große Teile von Rumpf, Trag- und Leitwerk mit Stoff bespannt sind. Das ist aber nicht nur leichter, sondern hält auch hervorragend. Von dem von 1949 bis 1960 im Konstruktionsbüro OKB Jakowlew in Moskau entwickelten und in großen Serien gebauten Luftfahrzeug, ist in Deutschland nur dieses eine flugfähige Exemplar erhalten.

Das wendigste Modell auf dem Flugplatz ist die 1982 gebaute Jakowlew Jak-50. Das Sportflugzeug für den Kunstflug hat bei einem Leergewicht von 765 Kilogramm einen 360 PS Sternmotor und erreicht eine Maximalgeschwindigkeit von 400 Kilometer in der Stunde und ein Lastvielfaches von positiv 9 g und negativ 7 g. Das kann man sich so relativ schwer vorstellen, aber zum Vergleich in großen Achterbahnen bis zu 5 g erleben. Mitfliegen kann man in der einsitzigen Jak-50 leider nicht. Das ist in ihrer Weiterentwicklung, dem zweisitzigen Kunstflugtrainer Jak-52 möglich und ein großartiges Erlebnis für alle, die sich in Achterbahnen langweilen.

Bekannt wurde die Jak-50 durch die VIII. Weltmeisterschaften der FAI im Motorkunstflug 1976 in Kiew, als sowjetische Flugsportler damit die Plätze 1, 2, 5, 7 und 9 und die Flugsportlerinnen die Plätze 1 bis 5 belegten. Die Zweedorfer Maschine wird vielleicht wegen ihrer schwarzen Lackierung mit den Flammen des Öfteren fälschlicherweise für ein Kampfflugzeug gehalten. Das Design bekam sie jedoch nach einem Wettbewerb der Zeitschrift Fliegerrevue, als für deren Airshowteam ein einheitliches Aussehen gesucht wurde. Bei der Kunstflugformation „Black Jacks“ fliegen noch eine weitere Jak-50 und zwei Jak-52 bei Flugveranstaltungen wie der ILA in Berlin.

Die polnische PZL-104 „Wilga“ 35 ist ein Mehrzweckflugzeug. Das Schul- und Übungsflugzeug eignet sich zum Segelflugschlepp und wurde als Fracht- und Sanitätsflugzeug, sowie in der Landwirtschaft eingesetzt. Die Namensgeber der Flugzeugserien aus den Staatlichen Luftfahrt-Werken (Panstwowe Zaklady Lotnicze) sind meistens Vögel: „Wilga“ heißt „Pirol“. Zwei Maschinen dieses Typs fliegen in Rerik-Zweedorf in der originalen Lackierung und eine wird gerade von Grund auf neu aufgebaut.

Neu dazugekommen ist im Mai eine 1978 gebaute „Krähe“. Die PZL-106 A „Kruk“ wurde vom Flugplatz Gardelegen fliegend an die Küste überführt. Nur ein weiteres flugfähiges Luftfahrzeug dieser Serie gibt es noch in Deutschland, vier stehen in Museen. Dabei gehörte das Arbeitsflugzeug zum typischen Alltagsbild in den landwirtschaftlichen Betrieben der DDR. Mit einem 7 Zylinder Sterntriebwerk hat das Flugzeug eine Leistung von 600 PS und erreicht eine Höchstgeschwindigkeit von 211 Kilometer pro Stunde bei einer Reichweite von 400 Kilometern. Entweder mit Fest- oder Flüssigdüngerbehälter ausgerüstet, konnte der robuste Tiefdecker bei einem Einsatz in 50 Meter über dem Boden von 12 Stunden täglich circa 90 Mal landen um seinen Behälter für Chemikalien aufzufüllen und sofort wieder zu starten. Nach der Wende wurden die etwa 100 deutschen Maschinen außer Dienst gestellt, verschrottet oder nach Amerika verkauft.

Langfristig wird auf dem Zweedorfer Flugplatz ein Museum entstehen, das nicht nur Kenntnisse der Flugzeugtechnik vermitteln, sondern hauptsächlich fliegende Exponate beherbergen und in Aktion zeigen soll. Dafür wird zurzeit der Motor einer SOKO 522 Ikarus aus dem ehemaligen Jugoslawien überholt. Der amerikanische Pratt & Whitney R-1340, dessen Prototyp seine ersten Prüfstandläufe 1925 bestritt, ist zurzeit zerlegt und nicht ganz komplett – einige Ersatzteile müssen aus Kalifornien beschafft werden. Wenn er fertig zusammengebaut und das Flugzeug aus Frankreich abgeholt ist, wird der Warbird als eines von weltweit zwei fliegenden seiner Art seinen Teil zum Museum beitragen.

Zu sehen und zum Mitfliegen gab es einige dieser Flugzeuge, dazu eine Antonow AN-2, eine Z-37 und eine Jak 18-T beim Internationalen Ostblock-Fahrzeugtreffen vom 3. bis 5. Juli 2009 im Technik-Museum auf dem ehemaligen Flugplatz Pütnitz bei Ribnitz-Damgarten. Dort werden in jedem Jahr über zehntausend Besucher erwartet, viele davon mit eigenem historischen Fahrzeug.

Sehr viel ruhiger geht es indessen auf dem Flugplatz Rerik zu. Entspannt lässt es sich auf der großen Terrasse den Flugzeugen beim Starten und Landen zusehen. Wer es gerne etwas aufregender hat, kann zum Beispiel in Ultraleichtfliegern oder einem Trike mitfliegen. Möglich ist natürlich auch ein Fallschirmsprung im Tandem aus 3000 Meter Höhe für besonders Mutige.

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